Dekoloniale Berliner Residenz 2021

Einsendeschluss: 23. April 2021

Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt freut sich, den ersten offenen Aufruf für die Dekoloniale Berlin Residency im Jahr 2021 bekannt zu geben. Wir laden Künstler*innen, Architekt*innen, Designer*innen, Schriftsteller*innen und urbane Praktiker*innen ein, sich für eine Residency bei Dekoloniale – Erinnerungskultur in der Stadt in Berlin zu bewerben. Bewerber*innen sind eingeladen, historische koloniale Schichtungen und dominante Narrative im öffentlichen Raum Berlins sowie Spuren der vorangegangenen Geschichte der Beteiligung am europäischen Handel mit versklavten Afrikaner*innen aufzudecken und zu transformieren. Wir begrüßen Vorschläge, die sich direkt mit den Orten oder Themen der ersten Dekoloniale [Re]präsentationsausstellung zurückGESCHAUT und mit der Kolonialgeschichte Berlins und Deutschlands im Allgemeinen auseinandersetzen und gleichzeitig die kolonialen Konnotationen des Ausstellens im Allgemeinen hinterfragen.

Im Jahr 2021 jährt sich die Erste Deutsche Kolonialausstellung zum 125. Mal. Die Schau, die 1896 im Berliner Treptower Park stattfand, präsentierte sich als Messe für die Kolonialwirtschaft Berlins und Deutschlands und ermöglichte es dem Deutschen Reich, sich als Kolonialmacht zu profilieren. Teil dieser Inszenierung war die Zurschaustellung von Menschen aus den deutschen Kolonien im Kontext stereotyper Völkerschauen . Wissenschaftler, darunter Anthropologen, führten Studien zu den ausgestellten Personen durch. Die Kolonialausstellung verdeutlicht exemplarisch die Bedeutung von Inszenierung und Performativität für das koloniale Projekt, veranschaulicht aber auch verschiedene Aktivitäten der Selbstbehauptung der Kolonisierten gegenüber fremden Kategorisierungen. Darüber hinaus war es ein Beispiel dafür, wie Politik, Wirtschaft, Unterhaltungsindustrie und Wissenschaft in der Kolonialzeit als wechselseitige Ressourcen funktionierten und sich gegenseitig verstärkten.

Die Dekoloniale [Re]präsentationsausstellung Gazing Back[wards] von 2017 thematisierte den Widerstand innerhalb der Ersten Deutschen Kolonialausstellung. Die führenden Duálá-Familien aus Kamerun verstanden sich nicht als »Ausstellungsstücke«, sondern beschäftigten sich mit dem Studium der Kolonialmacht, ihrer Kultur, Sprache, Politik und Technik. Die jungen Männer flirteten mit neugierigen Berlinerinnen, parodierten einzelne Besucher*innen und ahmten das marschierende deutsche Militär nach. Mit einem Opernglas blickte der Duálá-Königssohn Bismarck Bell/Kwelle Ndumbe zurück in die staunende Menge und inspirierte so den Titel der Ausstellung.

Von den ausgewählten Residents wird erwartet, gemeinsam eine künstlerische Intervention im öffentlichen Raum zu gestalten, und sie werden ermutigt, hybride Denk-, Forschungs- und Praxisweisen in Betracht zu ziehen. Wir bevorzugen kollaborative Formate und Ausdrucksformen, die Disziplingrenzen erweitern. Die Formen, die die entstehenden Arbeiten annehmen können, reichen von einer physischen Struktur im Treptower Park bis hin zu einer regional verteilten Publikation.

Es wird erwartet, dass die Residents im Zeitraum von August bis Oktober 2021 eine gemeinsame Arbeit entwickeln, mit einer abschließenden öffentlichen Präsentation am 16. Oktober. Sprecher*innen aller Muttersprachen werden ermutigt, sich zu bewerben, beachten Sie jedoch, dass die Residents dazu in der Lage sein sollten auf Englisch zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Den Bewohnerinnen und Bewohnern werden Reisekosten, Unterkunft und Tagegeld in Berlin während der gesamten Aufenthaltsdauer, ein Produktionsbudget für die Umsetzung des gemeinsamen Projekts sowie ein Honorar zur Verfügung gestellt. Sie haben je nach Bedarf und Verfügbarkeit uneingeschränkten Zugang zum Dekoloniale Projektraum, kuratorischer Anleitung und Produktionsunterstützung.

So bewerben Sie sich

Bewerberinnen und Bewerber richten ihre Bewerbung an residency@dekoloniale.de:

  • Ein kurzes Motivationsschreiben (max. 1 Seite)
  • Eine kurze schriftliche Beschreibung Ihrer geplanten Forschung/Arbeit (max. 1 Seite; nähere Informationen zu möglichen Standorten und Themen finden Sie hier)
  • Lebenslauf (max. 2 Seiten)
  • Portfolio Ihrer Praxis (max. 10 Seiten – 5MB)

Der Bewerbungsprozess ist vollständig online.

Die Vorschläge werden nach folgenden Kriterien bewertet: Bezug zum Ort oder Thema der Ersten Deutschen Kolonialausstellung; Beitrag zum Feld der dekolonialen urbanen Praxis; und ästhetischer Wert – entweder als Form des Wissens oder als Aspekt des Designs.

Die Residents werden von einer internationalen Jury ausgewählt.

Über zurückGESCHAUT der Dekoloniale [Re]präsentationen

2017 wurde im Museum Treptow die Ausstellung Zurückgeschaut/Gazing Back[wards] eröffnet, die sich der Geschichte der Ersten Deutschen Kolonialausstellung widmet. Es wurde in einer seltenen Zusammenarbeit zwischen Museumsmitarbeitenden und Akteur*innen aus der Diaspora und der Zivilgesellschaft entwickelt. ZurückGESCHAUT ging über das Museum Treptow hinaus und spiegelte die gesamtstädtische Bedeutung der Ersten Deutschen Kolonialausstellung wider. Denn an der Kolonialausstellung waren Handels- und Industrieunternehmen aus allen Bezirken Berlins ebenso beteiligt wie wissenschaftliche Einrichtungen wie das Museum für Völkerkunde (heute Ethnologisches Museum) in Berlin-Dahlem.

Gazing Back[wards] 2017 baute auf den Erfahrungen, Ergebnissen und Anforderungen dieses Arbeitsprozesses auf, um eine neue Ausstellung zur Ersten Deutschen Kolonialausstellung zu entwickeln. Die überarbeitete Ausstellungseröffnung am 15.10.2021 wird die bisherige Recherche, die sich auf die Lebensgeschichten der Völkerschau Teilnehmenden konzentrierte, um Recherchen zu den beteiligten Unternehmen und Akteur*innen aus Handel und Unterhaltungsindustrie ergänzen und die Kolonialausstellung in die Geschichte und Gegenwart vergleichbarer Ausstellungen in Deutschland und international einbetten. Die Entwicklung der überarbeiteten Ausstellung Gazing Back[wards] erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Museum Treptow.

Referenzseiten

1. Treptower Park, Karpfenteich

Der 88,2 Hektar große Treptower Park wurde 1876–88 angelegt. 1896 wurde hier die Erste Kolonialausstellung eröffnet. Der ursprünglich für die Fischzucht angelegte künstliche Karpfenteich wurde zur berüchtigten Kulisse der Ausstellung. Der Treptower Park ist einer von vier Berliner Parks, die aus dem 19. Jahrhundert noch erhalten geblieben sind. Ende des 20. Jahrhunderts wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt und der Park in Teilen historisch rekonstruiert, wobei jegliche Spuren an diese frühen Ereignisse belassen wurden. Heute ist der Treptower Park mit seiner Flusslandschaft, weiten Wiesen und Ruhezonen sehr beliebt für Erholungsnutzungen aller Art.

2. Schloss Friedrichsfelde und Tierpark

Das Schloss Friedrichsfelde ist ein neoklassizistisches Schloss im Zentrum des Berliner Tierparks, das 1685 von Benjamin Raule, einem niederländischen Reeder, der für den frühen brandenburgischen Sklavenhandel verantwortlich war, im Stadtteil Friedrichsfelde erbaut wurde. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg übertrug Raule 1682 das Grundstück von Schloss Friedrichsfelde für seine »Verdienste« als Teil der Kurbrandenburger Marine, nämlich die Gründung eines Unternehmens, das sich mit der Verschleppung versklavter Afrikanischer Völker befasste. Mit den so erzielten Einnahmen finanzierte Raule den Bau eines kleinen Zoos auf seinem Anwesen, dem heute renommierten Tierpark Friedrichfelde. 2020 eröffnete der Zoo unter dem Titel »Auf nach Afrika« sein neu gestaltetes Großtiergehege mit stereotyper Hüttenkulisse, das »authentische Einblicke in eine weitläufige Savannenlandschaft« bieten soll.

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Treptower Park 4
Dekoloniale residency landscape ©
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