Stimmen und Musik aus gewaltvollen kolonialen Verhältnissen – Deutschland | Kamerun | Papua-Neuguinea | Tansania | Togo
Thementouren
Mèhèza Kalibani, 2024
Die Kolonialherrschaft zeichnete sich nicht nur durch territoriale Besetzungen aus. Auch die Aneignung von Wissen von den und über die Kolonisierten trug maßgeblich zu Europas kolonialem Projekt bei. So „erforschten“ Kolonisator*innen, Missionar*innen, Ethnolog*innen und Akteur*innen weiterer Disziplinen beispielweise kulturelle und religiöse Artefakte sowie Körperteile der Kolonisierten.
Mit der Erfindung des Phonographen durch den US-amerikanischen Physiker Thomas Edison (1847-1931) konnten ab 1877 Stimmen und Klänge auf Wachswalzen festgehalten und zu einem späteren Zeitpunkt abgespielt werden. So wurden in den nächsten Jahren auch in kolonialen Kontexten Aufnahmen gemacht.
Heute befinden sich in deutschen Tonarchiven historische Aufnahmen, von denen viele in Unrechtskontexten produziert wurden. Ähnlich wie bei der Aneignung ethnographischer Artefakte wurden diese oft als authentische Quellen in wissenschaftlichen Untersuchungen zu Musik, Kultur und Sprache verwendet.
Bis heute werden die gewaltvollen Umstände häufig ignoriert, ebenso, dass die Tonaufnahmen Teil der kolonialen Wissensproduktion waren. Dieser Beitrag thematisiert diese Aufnahmen und ihre Entstehungskontexte.
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References:
Hilden, Irene: Absent Presences in the Colonial Archive. Dealing with the Berlin Sound Archive's Acoustic Legacies, 2022.
Hoffmann, Annette: Kolonialgeschichte hören. Das Echo gewaltsamer Wissensproduktion in historischen Tondokumenten aus dem südlichen Afrika, 2020.
Kalibani, Mèhèza: Kolonialer Tinnitus. Das belastende Geräusch des Kolonialismus GWU 72, 2021, H. 9/10, S. 540 – 553.
Kalibani, Mèhèza: Koloniales Leiden in Lied und Wort, Werkstattgeschichte 89, 2024, S. 94-114.
Ziegler, Susanne: Die Wachszylinder des Berliner Phonogramm-Archivs, 2006.
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Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Projekts „Digitale Kartographierung der Hamburger Kolonialgeschichte“ verfasst. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen der Stiftung Historische Museen Hamburg, dem Arbeitskreis HAMBURG POSTKOLONIAL und dem Berliner Verbundprojekt „Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt“. Es wird gefördert von der Behörde für Kultur und Medien Hamburg und der Kulturstiftung des Bundes.
Koordination und Redaktion: Anke Schwarzer, 2024
Stationen
Die ersten Aufnahmen
Von der Kolonie ins Kriegsgefangenenlager
Denk- und Arbeitsweise in der Musikethnologie
Koloniale Wissensproduktion
Aufnahmen von der ersten Hamburger „Südsee-Expedition“
Aufnahmen aus deutschen Kolonien
Der „Phonetiker-Nerd“
Karl Atangana
Mohammed Hussein - zweifaches Opfer
Muhamed Nur, der Krieg und die Grammatik
Workshop „Die Stimmen unserer Ahn*innen“