Spuren des transatlantischen Menschenhandels im Hamburger Stadtraum – Deutschland
StadttourenHannimari Jokinen, 2024
„10 Hamburger Kaufleute bilden 1 Handels-Compagnie“ und heuern „1 großes, wohlmontiertes Schiff“ - so die einleitenden Worte eines Rechenbeispiels im Lehrbuch für angehende Kaufleute, das ab 1686 in sechs Auflagen in Hamburg erschien. Nach der fiktiven Berechnung bringen die Handelsherren „Leinen, Damast, div. Metallwaren“ nach Westafrika. Dort wird die Fracht gegen „Gold, Elephanten-Zähne“ und 202 versklavte Afrikaner*innen verhandelt, die in die Karibik verschifft werden. Auf der von Dänemark kolonisierten Insel St. Thomas werden die Verschleppten gegen Zucker getauscht, der auf den Plantagen von Versklavten produziert wird. Bei Rückkehr nach Hamburg streichen die Kaufleute einen Gewinn von 100 Prozent ein.
Diese beispielhafte Rechnung aus einem lange verwendeten Hamburger Lehrbuch verdeutlicht die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Stadt über viele Jahrzehnte hinweg am Menschheitsverbrechen des transatlantischen Versklavungshandels beteiligte. Auch in Hamburgs Stadtraum lassen sich – bei genauerem Hinsehen – noch heute Infrastrukturen entdecken, die auf Akteur*innen und Warenproduktion im transatlantischen Versklavungshandel hinweisen. Seit Jahrzehnten machen zivilgesellschaftliche Aktivist*innen auf diese vergessenen Spuren aufmerksam.
Website: http://www.afrika-hamburg.de
Special thanks:
Liz Adams, Tanja Bah, Annika Bärwald, Dr. Tatjana Ceynowa, Meryem Choukri, Marie Møller Christensen, Birgit Delius, Sarah Giersing, Wibeke Haldrup, Mathias Hattendorff, Dr. Stefan Kleineschulte, Tyge Krogh, Dr. Sarah Lentz, Dr. Maike Manske, Sigurdur Tómasson, Gisli Palsson, Elke Petter, May-Britt Raarup Bundsgaard, Bernd Reher, Elke Schneider, Tendai Sichone, Frauke Steinhäuser, Dr. Nicole Tiedemann-Bischop, Gordon Uhlmann, Catharina Winzer
Quotes:
Heins, Valentin: Rechenmeister zu Hamburg, Buchhalter der Guineisch-Africanischen Compagnie, begründend Mitglied der Kunst-Rechnungs-liebenden Societät: „Schatz-Kammer der Kauffmännischen Rechnung: Darinnen Allerhand Bey der Kauffmannschafft itziger Zeit etwan vorfallende Rechnungs-Arten Ordentlich und gantz-bedeutlich vorgezeiget werden“, 1779 (Buch ohne Seitenzahlen).
References:
Sinapius, Johann Christian (Hrsg.): Lesebuch für Kaufleute, 1783.
Uhlmann, Gordon: Arithmetica Sclaven Handel ++++++++, Temporäre Transkription & Extraktion, Performance, Schimmelmannstieg in Hamburg-Wandsbek,15.9.2007. http://www.wandsbektransforman... [30.8.2024].
_
Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Projekts „Digitale Kartographierung der Hamburger Kolonialgeschichte“ verfasst. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen der Stiftung Historische Museen Hamburg, dem Arbeitskreis HAMBURG POSTKOLONIAL und dem Berliner Verbundprojekt „Dekoloniale Erinnerungskultur in der Stadt“. Es wird gefördert von der Behörde für Kultur und Medien Hamburg und der Kulturstiftung des Bundes.
Koordination und Redaktion: Anke Schwarzer, 2024
Stationen
Spuren von Tuch und Zucker
„Kolonialwaren“ für Altona
Altonas transatlantische Schifffahrt
Das „System Schimmelmann“
„In Wandsbek im Dienst” - eine Bildbetrachtung
Ein dekolonialer Blick auf das Blücher-Denkmal in Altona
Abolition? Lippenbekenntnisse im Salon des Emkendorfer Kreises
Wessen „Goldenes Zeitalter“?